BlechHilftBlech

Maria-Ruth Schäfer von der „BlechWerkSTADT“ hat folgenden Aufruf formuliert, der im Oktober 2021 zunächst im Evangelischen Kirchenblatt Görlitz veröffentlicht wurde:
„Das Hochwasser ist schon fast wieder aus den Medien verschwunden. Dabei werden die Folgen noch jahrelang sichtbar sein! Die Blech:Werk:STADT möchte Menschen vor Ort unterstützen.
Dafür sammeln wir Spenden: Wir spielen quasi private Mini-Benefizkonzerte – ruft uns an, wir kommen mit Musik vorbei!
Alles, was wir einnehmen, geht an betroffene Posaunenchöre in der Flutregion an der Ahr.
Solltet Ihr einfach so etwas spenden wollen, tut das gern an den Verein zur Förderung der Posaunenchorarbeit in der schlesischen Oberlausitz unter dem Stichwort „Flutständchen“.
Wir sammeln bis zum 24.12.2021 um es dann als Weihnachtsgeschenk zu übergeben.“
Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien e.G.
DE66 8559 1000 4562 1354 00


Am 28.12.2021 konnten über 6000,00 € an die Ev. Kirchengemeinde Bad Neuenahr überwiesen werden.


Am 15.01.2021 schrieb Pfr. Rüdiger Stiehl:

Liebe Renate, liebe Maria-Ruth, liebe Bläserinnen und Bläser der gesamten Oberlausitz,

ich grüße Sie/Euch herzlichst im Namen aller Bläserinnen und Bläser des Ahrtals.
Eure Wahsinnsspende über 6000.- Euro ist in der Tat ein völlig unerwartetes und völlig überraschendes Weihnachtsgeschenk.  Wie die „Bläserfamilie“ der Posaunenchöre zusammenhält ist unglaublich tröstlich in dieser trostlosen Zeit. Das gibt es so bei keiner anderen gemeindlichen Gruppe vom Bibelkreis angefangen bis zur Kantorei.

Ihr glaubt gar nicht wie gut es tut, dass so viele Menschen in ganz Deutschland an uns denken, beten, spenden und helfen.

Das Ereignis dieser schrecklichen Nacht liegt jetzt genau 6 Monaten zurück und die Situation vor Ort ist immer noch schwierig.

Noch immer haben viele Menschen kein Zuhause. Alle Erdgeschosswohnungen in Bad Neuenahr und Ahrweiler und 50 km entlang der Ahr sind in den Rohbauzustand zurückversetzt und unbewohnt.  Wenn ich abends durch Bad Neuenahr gehe ist es überall dunkel und eine Geisterstadt. Es gehört schon sehr viel dazu, jeden Tags aufs Neue sich den Aufgaben zu stellen und den Kopf nicht hängen zu lassen.

Hier war wochenlang ohrenbetäubender Lärm, Bagger, unzählige Hiltis und Vorschlaghämmer in Bewegung. Das ist jetzt vorbei. Und das Ahrtal kehrt zurück in eine erholsame und gespenstische Stille. Aber es ist eine trügerische Stille.

Jetzt, wo die Leute nicht mehr schippen und schleppen, rackern und helfen schleicht die Angst aus allen schmutzigen Ritzen und Löchern zurück und erinnert an diese ein schreckliche Nacht.

Ich habe schon im Juli befürchtet, dass das eigentliche Problem erst viel später kommt. Die Notfallseelsorge und Trauma-Psychologen empfehlen Dinge, die Spaß machen und Gewohntes durchzuhalten. Geht aber nicht, weil alles, was Spaß macht und Zeitvertreib bietet nicht mehr da ist: von der Ballettschule über den Fußballplatz, der Bowlingbahn, Eisdiele, Kino oder Tennis. Es ist in dieser Nacht alles zerstört worden. Auch die Räumlichkeiten für Chöre, Musikvereine und Posaunenchor sind allesamt zerstört. Dazu gibt es durch die Zerstörung und Corona überhauptkeine motivierenden Ziele wie ein Festgottesdienst, Familienkonzert unsw

Wir lernen gerade neu zu leben und demütig zu werden.  Menschen bedanken sich mit Tränen in den Augen, wenn man sie zum Essen einlädt. Menschen freuen sich über eine warme Dusche oder wieder funktionierende Heizung, beziehen freudestrahlend Ihr TinnyHaus (eine Art mobilehome)  und sind dankbar für ein Heim, dass sie vor Monaten nicht einmal als Urlaubsziel auf einem 5 Sterne Campingplatz am Atlantik akzeptiert hätten. Ich finde diese neue Art der Bescheidenheit und des Dankens erfrischend. Schade nur, dass es erst durch eine Katastrophe kam.

Und doch spürten wir, dass es  – auch wenn es sehr langsam geht – von Tag zu Tag ein Stück besser wird. Wobei sich das besser auf den Vortag bezieht, denn bis hier wieder etwas „gut“ ist, wird es noch Jahre dauern.

Schüler und Schülerinnen der zerstörten Schulen gehen in Containerschulen oder werden an Ausweichorten unterrichtet. Sie habend dafür ewig lange Schulwege und wir hier auf einmal „afrikanische“  Verhältnisse2 im Bildungswesen.

Die Versorgung mit Trinkwasser und Medizin ist wieder stabil. Aber so wie einst die gelben Telefonzellen, gibt es immer noch Straßen mit Dixiklos für die täglichen Geschäfte, Sattelschlepper mit Duschen und Bankautomaten auf 4 Rädern.

Dennoch gibt es jeden Tag erfreuliche Veränderungen. Die über 40.000 Autowracks, die auf mehreren großen Schrotthalden gelagert waren, verschwinden langsam. Seit November fährt wieder ein Zug zwischen Remagen und Ahrweiler -immerhin. Stand ich sonst missmutig am geschlossenen Bahnübergang, weil das Zeit gekostet hat, freut man sich jetzt wie ein Kind und das Herz hüpft und ruft: „Hurra ein Zug“ – Tatsächlich es fährt wieder ein Zug -zwar nur bis Ahrweiler aber egal.  Hätte mir jemand vor einem Jahr gesagt, dass ich mal wie ein Kind mit dem Finger freudig auf einen Zug zeige, hätte ich Ihn ausgelacht.

Aber es sind diese Dinge, die uns jetzt guttun. Man freut sich über den ersten Schotterweg, einen neu bepflanzten Vorgarten, freiwillige Helfer oder lachende und spielende Kinder, die den Brückenbau des THW nachspielen.  Viele Wege, vor allem an der Ahr sind wieder begehbar und jeden Tag kommt etwas Neues hinzu. Unglaubliche Aufbruchstimmung und klar „es kann nur besser werden“.

Im Kurpark sind zwei große Zelte entstanden, eines für über 600 Menschen mit Bühne, beheizt und bestuhlt. Hier werden Konzerte und Veranstaltungen stattfinden und wir haben hier auch unseren Weihnachtsgottesdienst mit Bläsern gefeiert. Es war schön, aber so richtige Weihnachtsstimmung im Bierzelt?  ….schwierig!!

Bis wir in unsere Kirche zurückkönnen wird es wohl noch 1 bis 2 Jahre dauern.

Wir konnten mit den bisherigen Spenden vielen Menschen helfen, sowohl mit einer Soforthilfe als auch mit größeren Unterstützungen je nach Bedürftigkeit. Soforthilfen sind jetzt eher nicht mehr der Fall. Stattdessen können wir genauer schauen wer noch Hilfe benötigt (das geht vom Bautrockner, über Waschmaschine oder Fernseher, ein Fahrrad bis zur Stehlampe) und tun dies in enger Absprache mit anderen Organisationen (Stadt, DRK, Malteser, Rotarier, Lions, Caritas usw) um Doppelungen zu vermeiden

Neben all den Einzelhilfen für Personen ist aber auch der Wiederaufbau unserer kirchlichen Gebäude wichtig. Wir brauchen unbedingt Räumlichkeiten, damit sich Menschen begegnen und treffen können, musizieren, Theater spielen. Der Wiederaufbau unseres Gemeindehauses hat da eine besondere Bedeutung.

Trotz all der vielen Hilfe aus einem Land, das nur den „Überfluss“ kennt, wird es noch Monate dauern, bis wir hier nicht mehr Katastrophengebiet sind. Wir leben im Moment von dem, was andere nicht brauchen. (Der im Keller stehende ausrangierte dritte Fernseher usw. )

Sicher wird es noch Jahre dauern bis Normalität eintritt, man ruhig schlafen kann, bis wieder Frieden in den Herzen und Seelen der Menschen wohnt.
Das unbeschwerte Lachen in der Sonne bei einem guten Ahrwein.
Ein Cappucino im Angesicht der Martin Luther Kirche mit Blick auf die Ahr,
ein Kurkonzert der Bläser im Park mit „Lobe den Herrn“ ….?  Davon träumen wir. Ihr habt eine  Beitrag dazu gelesitet, dass dieser Traum bald wieder wahr werden wird. Bis dahn bleiben uns wie Paulus sagt: „Glaube, Liebe, Hoffnung“ . Darum euch allen ganz lieben Dank im Namen des Posaunenchores der Ev. Kirchengemeinde Bad Neuenahr.


Dieser berührende Bericht läßt ein wenig ahnen von dem, was den Menschen im Ahrtal geschehen ist und was sie weiter bewegt.
Laßt uns miteinander schauen, wie wir unsere Geschwister in dieser Region auch in der nächsten Zeit in unserer „Bläserfamilie“ der Posaunenchöre  helfend begleiten können.

Renate Pissang

im Namen des Vorstandes des Vereins zur Förderung der Posaunenchorarbeit in der schlesischen Oberlausitz e.V.